Sehr geehrte Patienten/-innen, Einweiser und Besucher/-innen unseres Blogs,

in unserem heutigen hektischen Alltag, wie auch in unserer Freizeit sind wir vielen Reizen und den unterschiedlichsten Lärmquellen ausgesetzt, sei es durch Straßenlärm, Fernsehen, Radio oder die ständigen Benachrichtigungstöne auf dem Handy bei Neuigkeiten. Doch was geschieht, wenn unserer Hörvermögen eingeschränkt ist und wir unsere Umgebung nicht mehr in dem Maße akustisch wahrnehmen können, wie wir das gewöhnt sind?

Ob altersbedingt, berufsbedingt oder aufgrund eines Unfalles – Schwerhörigkeit ist heute schon ein weit verbreitetes Phänomen in der deutschen Gesellschaft und hat bereits den Anteil der Bevölkerung mit Volkskrankheiten wie Depression, Migräne und Diabetes überholt. Laut der Studie HÖRSTAT aus dem aktuellen Jahr, durchgeführt durch das Institut für Hörtechnik und Audiologie der Jade Hochschule in Oldenburg, sind heutzutage 16,2% der Erwachsenen, also insgesamt 11,1 Millionen Menschen von Schwerhörigkeit betroffen.

Trotz alledem ist immer wieder zu bemerken, dass Patienten viel zu spät auf eine Hörminderung aufmerksam werden und diese behandeln lassen. Durch das seit einigen Jahren etablierte Neugeborenenhörscreening werden Kinder mit Hörstörungen heute meist frühzeitig entdeckt und können entsprechenden rehabilitativen Maßnahmen zugeführt werden.

Bei älteren Patienten ist das aber oft ganz anders: Meist ist es der Ehepartner, der auf die Vorstellung beim HNO-Arzt drängt, weil der Fernseher immer lauter gestellt werden muss, das Telefonklingeln oder die Wohnungsglocke überhört werden oder eine vernünftige Unterhaltung nicht mehr möglich ist. Der Hörverlust beginnt meist im Bereich der hohen Töne und führt zu einem Phänomen, welches als Cocktailpartyschwerhörigkeit bezeichnet wird. Bei Umgebungslärm, wie er in Gaststätten, beim Einkaufen oder auch bei der Arbeit oft vorkommt werden Wörter und Satzteile nicht mehr richtig verstanden. Das führt oft zur Isolation des Schwerhörigen, was bei rechtzeitiger Versorgung mit Hörgeräten verhindert werden kann.

Wir haben darüber mit dem Chefarzt der Bitterfelder HNO-Klinik, Herrn Dr. Volker Baumgarten und dem Chefarzt der Abteilung für plastische Chirurgie im Bitterfelder Klinikum, Herrn Dr. Scholz gesprochen. Beiden Ärzten ist unverständlich, warum viele und gerade ältere Patienten Ressentiments gegenüber einer Hörgeräteversorgung haben, während zum Beispiel eine Brille seit Jahren getragen wird. Die Chefärzte vermuten, dass neben Eitelkeit hier wohl Angst vor der Technik und die Beteiligung an eventuell hohen Selbstkosten die Gründe sind.

Obwohl der Markt für Hörgeräte stetig wächst und die Technik immer weiter verbessert wurde, haben viele Menschen weiterhin das Bild  eines hässlichen, klobigen und altmodischen Hilfsmittels für Hochbetagte im Kopf. Doch dieses Bild ist längst überholt, da die Hörsysteme immer innovativer, intelligenter und kleiner werden und ihren Träger heute sogar drahtlos mit der Umwelt vernetzen können. Die Hörsysteme, die wir heute verwenden, sieht man fast überhaupt nicht mehr und die Technologie ist eine völlig andere als noch vor einigen Jahren. Analoge Technik wurde grundsätzlich durch digitale ersetzt. Heute sind moderne Hörsysteme klein, schick und in Wunschfarbe zu erhalten und an den jeweiligen Nutzer angepasst. Zudem ist es viel einfacher sie an sogenannte „Peripherie-Geräte“ anschließen zu lassen, d.h. der Patient kann seine Hörhilfe beispielsweise über Bluetooth mit dem Handy koppeln. Die Zuzahlung der Krankenkassen wurde vor einigen Jahren deutlich erhöht, so dass auch bereits im zuzahlungsfreien Segment hochwertige Geräte angeboten werden, die auf jeden Fall den gleichen Hörgewinn wie teure Geräte gewährleisten, so dass eine Zuzahlung nur bei Sonderwünschen wie der Bluetooth-Technologie, Fernbedienung oder speziellen Hörprogrammen erforderlich wird.

Obgleich die Technik der Hörgeräte immer weiter voranschreitet und die Geräte immer leistungsfähiger werden, können stärkere Hörverluste oder gar Ertaubungen mit konventionellen Geräten nicht mehr ausgeglichen werden. Bei Ertaubungen oder an Taubheit grenzende hochgradige Schwerhörigkeiten kommt ein sogenanntes Cochlea-Implantat zum Einsatz, bei dem der über ein Mikrofon aufgenommene Schall in elektrische Impulse umgewandelt wird und über eine Elektrode, in der sogenannten Hörschnecke des Innenohres, die Nervenzellen direkt stimuliert werden.

Für die Gruppe der stark hörgeschädigten Menschen, die mit konventionellen Hörgeräten nicht mehr ausreichend zu versorgen sind, aber eine Ertaubung auch noch nicht vorliegt, wurden die sogenannten aktiven Mittelohrimplantate entwickelt. Ein Modell ist die „Vibrant soundbridge“ (VSB). Weltweit wurden bereits tausende Menschen mit diesem System versorgt und in diesem Jahr erhielten auch die ersten Patienten in der HNO-Klinik des Gesundheitszentrums Bitterfeld-Wolfen eine „Vibrant soundbridge“. Nicht nur für Patienten mit stärkerer Schwerhörigkeit ist die VSB eine optimale Lösung, sondern insbesondere dann, wenn durch chronische Gehörgangs- oder Mittelohrentzündungen das Tragen von konventionellen Hörgeräten mit den Gehörgang verschließenden Ohrpassstücken nicht mehr möglich ist. Für diese Patientengruppe kommen auch sogenannte knochenverankerte Hörgeräte in Betracht. Auch diese werden in Bitterfeld implantiert.

Ebenso ist der Einsatz der Vibrant soundbridge mit einer Operation verbunden. Der Umfang des Engriffes entspricht einer typischen Mittelohroperation, wie sie in der Bitterfelder HNO-Klinik häufig ausgeführt wird. Die Verweildauer im Krankenhaus liegt zwischen drei und fünf Tagen. Nach einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen wird der Soundprozessor durch einen Hörgeräteakustiker in Betrieb genommen und an die individuellen Besonderheiten angepasst.

Die Chefärzte der Bitterfelder Klinik gehen davon aus, dass diese Art der Hörgeräteversorgung in den nächsten Jahren immer weiter etabliert wird, weil sie bei entsprechender Indikationsstellung eben auch diesen Patienten hilft, die bisher mit konventionellen Geräten nicht mehr versorgt werden konnten und so deren Lebensqualität deutlich verbessert. Aus diesen Gründen wollen wir diese Implantate gerne auch in Zukunft zum Wohlbefinden unserer Patienten einsetzen.

 

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Chefärzte der HNO-Klinik