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Unabhängige Gutachter bescheinigen Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen Zukunftsfähigkeit

Der Kreistag des Landkreises Anhalt-Bitterfeld bewilligte im Herbst 2019 der Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen gGmbH einen Investitionskostenzuschuss für medizinische Großgeräte. „Diese Zusage war verbunden mit dem Auftrag an uns, ein Gutachten zu erstellen, das die Potenziale zur Stärkung der dauerhaften Investitionsfähigkeit des Klinikums aufzeigen kann“, bestätigt Geschäftsführer Norman Schaaf. Knapp neun Monate später liegen erste Ergebnisse der Potenzialanalyse für das kommunale Klinikum vor.

Die mit dem Gutachten beauftragte WRG Consulting GmbH besitzt eine nachgewiesene Expertise im Krankenhauswesen. Nach der ersten Analysephase bescheinigen die unabhängigen Berater dem Gesundheitszentrum eine solide Wirtschaftsfähigkeit. „Hier wurde in den letzten Jahren vieles richtig und gut gemacht. Die Personalproduktivität ist sehr positiv“, sagt WRG-Geschäftsführer Carsten
Schäfer. Aber die Ergebnisse reichen nicht, um die zwischen den notwendigen Investitionen und den vom Land zu gering ausgereichten Fördermitteln entstehende Investitionsmittellücke zu decken. Denn die von den Krankenkassen bezahlten
Behandlungsleistungen finanzieren nicht die Investitionen in Geräte und Technik. Dies ist gesetzliche Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes.

Anhand von Wirtschaftszahlen und kennzahlenbasierten Vergleichen haben die Gutachter ein internes Potenzial errechnet, welches das Klinikum innerhalb bestehender Strukturen und Leistungsangebote heben könnte. Praktisch liegt die Realisierbarkeit der Potenziale bei 1,3 Millionen Euro über die nächsten drei Jahre. Aber auch wenn die Potenziale gehoben wären, würde die Lücke der tatsächlich benötigten Investitionsmittel von circa 3 Millionen Euro pro Jahr damit nicht geschlossen. Diese Finanzlücken entstehen bei jedem Krankenhaus aufgrund der zu niedrigen Landesfördermittel. Die Gutachter gehen bis 2022 sogar von einem noch höheren
Investitionskostenbedarf von jährlich zwischen 3 und 5 Millionen Euro aus. „Uns ist klar, dass der 2019 erteilte Investitionskostenzuschuss vom Kreistag eine einmalige Sache war und wir aus eigener Kraft für unsere Zukunftsfähigkeit sorgen müssen“, erklärt Norman Schaaf. Man kann sich darüber streiten, ob Krankenhäuser das Ziel haben sollten, gewinn- und renditeorientiert agieren zu müssen. Das Gesundheitssystem ist aber derzeit so ausgerichtet.

Das Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen kann an Bedeutung für die regionale Gesundheitsversorgung weiter gewinnen, muss sich aber strategisch neu ausrichten, da systembedingt die vorhandenen internen Potenziale für eine Erhöhung der
Investitionsfähigkeit alleine nicht ausreichen. Zu diesem Fazit kommen die Gutachter und empfehlen, die bedingt durch die Corona-Pandemie aktuell ausgesetzte Leistungserbringung in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe nicht
wiederaufzunehmen.

„Es ist eine schmerzliche Vorstellung, dass künftig vielleicht keine Kinder mehr im Krankenhaus am Standort Bitterfeld-Wolfen geboren werden“, macht der Aufsichtsratsvorsitzende, Landrat Uwe Schulze klar. Auch die Gutachter merken an, dass niemals leichtfertig die Empfehlung zur Schließung einer Geburtsstation gegeben wird. Schließlich trägt der Kreißsaal zum Positivimage jedes Klinikums bei und keine andere Abteilung ist mit so vielen Emotionen verbunden.

Pro und Contra zum Wiederaufbau der Frauenklinik

Demgegenüber stehen harte Fakten. Der demographische Wandel führt zu weiter sinkenden Geburtenzahlen. Wirtschaftlich rechnen sich Geburtsabteilungen erst ab 1000 Geburten pro Jahr. Das Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen lag im Jahr 2019 bei 420 Geburten. Durch die von Experten vorhergesagte drastische Ambulantisierung in der chirurgischen Versorgung der Frauen werden die Fallzahlen künftig noch geringer werden. Wenige Geburten und wenige operativ behandelbare Patientinnen erschweren die ohnehin jetzt schon komplizierte Gewinnung von Fachärzten, Hebammen und Kinderkrankenschwestern noch mehr. „Wenn dann in
einer Klinik zudem die Fallzahlen insgesamt so niedrig sind, dass angehende Fachärzte über Jahre nicht auf die vorgeschriebene Zahl von Operationen kommen, ist das äußerst unattraktiv und schränkt die medizinische Qualität auch für die Patientinnen ein.“ Die Einschätzung des Ärztlichen Direktor Dr. med. HansJoachim Kluger ist ernüchternd. Hinzu kommt die Tatsache, dass dem Gesundheitszentrum zur Aufrechterhaltung der Geburtsabteilung auch kein Sicherstellungszuschlag zusteht. Denn wenn die hiesige Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe nicht wiederaufgebaut würde, entstünde keine Versorgungslücke. Die Kliniken in Dessau, Köthen, Halle, Eilenburg und Torgau wären erreichbar. Dass Leihärzte und Leihhebammen keine Lösung sind, wird jedem bewusst, der weiß, dass diese Arbeitnehmer doppelt so viel kosten wie das im Klinikum angestellte Personal. Zudem bergen Leihkräfte auch fachliche Risiken, weil sie die Abläufe in den einzelnen Kliniken nicht kennen.

Nachhaltige Zukunftssicherung

Ein künftiger Wiederaufbau der Bitterfelder Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe wird zu einem personellen und finanziellen Kraftakt, der die gesamte Weiterentwicklung des Gesundheitszentrums gefährdet. Die Zukunft dieser Abteilung unseres Klinikums wird deshalb Thema einer Sondersitzung des Kreistages im Juli sein. Es ist eine öffentliche und höchst emotional geführte Debatte über die Zukunft dieser Klinik zu erwarten. „Niemand schließt gern oder leichtfertig Abteilungen. Wir wollen die Stellung unseres kommunalen Klinikums als starken Gesundheitsversorger und zukunftsfähigen Arbeitgeber für rund 1000 Arbeitnehmer
in der Region erhalten. Die Zukunftsfähigkeit der Gesamteinrichtung muss erhalten werden“, gibt der Landrat zu bedenken.
Die von den Gutachtern als operative Potenziale aufgezeigten Sachverhalte werden aktuell über Projekte im Klinikum entwickelt und umgesetzt. Ziel ist die nachhaltige Wettbewerbssicherung. Dazu müssen die internen Potenziale genutzt, eine
Neuausrichtung der medizinischen Strategie angestoßen und idealerweise Kooperations- und Netzwerkpartner gesucht werden.